Endoskopische Besamung der Stute - eine neue Fortpflanzungsmethode in der Pferdezucht
Dr. med. vet. Dominik Burger
Neben dem Natursprung an der Hand, auf der Weide und in der Herde haben sich in der Pferdezucht die künstliche Besamung mit Frisch- und Gefriersamen sowie der Embryotransfer fest etabliert. Sind die sogenannte "in vitro Fertilisation" und das Sexen des Samens noch nicht praxistauglich, so dürfte in naher Zukunft aber eine andere Fortpflanzungsmethode für den Tierarzt und Züchter aktuell werden: die endoskopische Besamung der Stute.
Die Möglichkeit der Endoskopie der Gebärmutter ist an und für sich nicht neu und kommt in der Diagnostik von Fortpflanzungs-Störungen schon seit rund 20 Jahren zur Anwendung . Hierzu wird ein Endoskop in die Gebärmutter eingeführt und diese über einen Kanal im Instrument mit Luft gefüllt. Dadurch ergibt sich für den Untersuchenden die Möglichkeit, die inneren Strukturen und die Schleimhaut der Gebärmutter zu betrachten. Das Endoskop kann in der Folge wahlweise in das linke oder rechte Gebärmutterhorn bis zum Eingang des Eileiters vorgeführt werden. Dieser kann in Form eines ca. ein Millimeter grossen "Knöpfchens" erkannt werden.
Das Prozedere
Bei der endoskopischen Besamung wird nun vorgängig ein Schläuchlein (Katheter) in den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt und an dessen Spitze der vorbereitete Samen aufgezogen. Nach Identifikation des Eileitereingangs wird der Katheter leicht ausgeführt und dieser mit dem Samen "angespritzt". Bedingung für eine erfolgreiche Befruchtung ist, dass die Stute analog wie bei der Gefriersamenübertragung kurz vor oder nach dem Eisprung steht. Die Spermien, die in der Folge direkt den Weg in den Eileiter antreten - man rechnet mit rund 100'000 -, treffen dort auf die Eizelle der Stute, womit es zur Verschmelzung und damit zur Befruchtung kommt.
Die Vorbedingungen
Das Prozedere verlangt Zeit, Uebung und Erfahrung des Personals sowie eine relativ aufwendige Infrastruktur. So muss ein Endoskop mit einer sehr starken Lichtquelle verwendet werden, und alle Vorgänge sollten auf dem Fernsehmonitor mitverfolgt werden können; dies wird heutzutage mit einem Kamera-Chip an der Spitze des sogenannten Videoendoskops ermöglicht. Für die Stute ist das Prozedere absolut schmerzlos.
Die Nutzen und Möglichkeiten
Das Ejakulat eines gesunden Hengstes umfasst je nach Tier durchschnittlich 2 bis 45 Milliarden Spermien. Bisher wurde für eine erfolgreiche Belegung einer Stute mittels konventioneller Besamung oder mittels Natursprung mit einer Minimal-Menge von 500 Millionen Spermien gerechnet. Das Spektakuläre an der neuen Methode ist nun die dramatische Senkung der für eine Befruchtung benötigten Samenmenge. So konnten in wissenschaftlichen Versuchen Trächtigkeiten nach Besamung mit nur einer Million Spermien erzielt werden - allerdings mit ganz speziell präpariertem Samen. Die "praktische" Dosis dürfte für die Züchterschaft in Zukunft wohl bei 5 - 30 Millionen Spermien liegen.
Dies bedeutet, dass nun mit einer einzigen bislang "üblichen" Besamungs-Dosis anstatt nur eine Stute eine ganze Vielzahl von Stuten belegt werden können. Interessant wird die endoskopische Besamung demzufolge insbesondere für den Zuchteinsatz von Hengsten, von denen generell wenig Samen zur Verfügung steht - so einige aktuelle Sporthengste oder aber auch verstorbene Spitzenvererber, von denen nur noch wenige Gefriersamen-Portionen bestehen.
Einen grossen Nutzen kann die neue Methode auch im Rahmen des Einsatzes von Hengsten mit Fruchtbarkeitsproblemen (Subfertilität) bieten, sei es bei solchen mit sehr wenig Sperma oder bei Hengsten mit mangelhafter Samenqualität; bei letzteren können nach Abnahme des Spermas mittels speziellen Labortechniken die lebenden Spermien von den toten abgetrennt werden. Die neue Besamungs-Methode wird in Zukunft vor allem auch im Rahmen des Einsatzes von gesextem Samen zur Anwendung kommen: da das Sexen, d.h. die Aufteilung in männliche und weibliche Samenzellen, eine sehr langwierige Labor-Prozedur darstellt, ist der Einsatz von "Mini-Dosen" unabdingbar.
Die endoskopische Besamung erlaubt es auch, die Passage des Spermas durch die Gebärmutter zu umgehen. So wird in diesem Zusammenhang heutzutage angenommen, dass die Spermien bis zu 4 Stunden benötigen, bis sie nach dem Belegungsakt beim Eileitereingang ankommen. Auf diesem Weg müssen sie das Gebärmutter-Milieu überleben. Die Gebärmutter der belegten Stute ihrerseits reagiert vor allem bei Einsatz von Gefriersamen physiologischerweise mit einer Entzündung, welche bei gesunden Stuten wieder abklingt, bei empfindlichen oder alten Stuten aber häufig bestehen bleibt und damit die spätere Einnistung des Embryos behindert oder gar verunmöglicht. Somit kann die Anwendung der endoskopischen Besamung gerade bei solchen Tieren ebenfalls von grossem Interesse sein. Inwiefern dies in Zukunft von Nutzen sein wird, wird sich noch zeigen.
Die Resultate und die Zukunft
Die ersten Versuche der verschiedenen Forschergruppen und des Nationalgestüts deuten darauf hin, dass die endoskopische Besamung sehr gute Fruchtbarkeits-resultate erbringen kann. Da das Prodezere zudem von den Stuten problemlos toleriert wird, keinen "High Tech" beinhaltet und somit finanziell vom Züchter tragbar ist, wird diese neue praxistaugliche Methode in der Pferdezucht zukünftig eine wichtige und wertvolle Rolle einnehmen.
Erste Versuche zur endoskopischen Besamung, der sogenannten "hysteroskopischen Insemination", wurden 1998 in den USA unternommen und publiziert. In Europa sind es bislang insbesondere Forscher von Cambridge/ Newmarket, die sich mit dieser neuen Methode beschäftigen.
Dem Reproduktionszentrum des Nationalgestüts in Avenches ist die erste endoskopische Besamung im August 2001 geglückt: Die Stute Chappala wurde vom Bundeshengst Veneur du Marais tragend. Etwas später ist auch die im Besitze von Daniel Zbinden stehende Cati du Pichoux CH, klassiert in S-Prüfungen unter Deliah Oeuvray und Schwester von Galant und mehreren Zuchthengsten, mit Gefriersperma des verstorbenen Holsteiners Cavalier Royal endoskopisch besamt und trächtig geworden. Die Avencher Tierärzte Dominik Burger, Laurence Ferrari und Lukas Aebi arbeiteten in der Vorbereitungsphase mit der Colorado State University, USA, und mit der Tierärztin Verena Bracher zusammen, welche ihre Erfahrungen aus dem Animal Health Trust in Newmarket/GB einbrachte. |
Photo 1 Labor im Reproduktionszentrum des Nationalgestüts in Avenches
Photo 2 Die Gebärmutter von innen: auf dem Weg zum Eileitereingang
Photo 3 Der Eileitereingang am Ende des Gebärmutterhorns
Photo 4 "Anspritzen" des Samens auf den Eileitereingang